Olga Tokarczuk – Zweisprachige Literaturlesung.

Olga Tokarczuk wird begleitet durch die Übersetzerin und Dichterin Joanna Manc

tokarzuk

„(…) Noch immer trifft man auf die Überzeugung, dass eine Gruppe von Menschen, deren Mitglieder durch Blutsbande verbunden sind, ein gewisses Gebiet als ihr ewiges und absolutes Eigentum besitze. Auf dieses Denken bauten früher einmal gewaltige Zivilisationen, denn eine derartige Ordnung galt als göttlich. Man konnte im Vertrauen auf Gott und die Welt leben. Andererseits hat diese Idee den blutigsten Wahn in die Geschichte getragen. Für manche Teile der Welt gilt dies weiterhin.

Doch die Welt ist komplizierter geworden. Es gibt Regionen, die zum Dasein als ewiges Grenzland zwischen unterschiedlichen Kulturen, ja Zivilisationen verdammt sind und deren Bewohner zu beiden Seiten sich fern und sehr nah zugleich sind. Ich lebe seit meiner Geburt in einem solchen Grenzland, ich blicke auf kein verlorenes Vaterland zurück und kann vermutlich deshalb die einfache Wahrheit leichter verstehen: Nicht wir besitzen das Land, das Land besitzt uns.“

„Stalins Finger“, aus dem Polnischen von Olaf Kühl.

„Würde man die Welt aus einer kosmischen Perspektive betrachten, zeigte sich ganz sicher, meine Herrschaften, dass eine Reise des Nachts eine kleine Explosion von Möglichkeiten ist, ihre Generalprobe, ehe sie sich in Richtung Zukunft entwickeln, dass sie die Spannung ist zwischen dem, was ist, und das was noch geschehen kann. Wohin also reisen wir des Nachts? Zu uns selbst, meine Damen und Herren, zu uns selbst.“

„Über die Vorzüge einer Reise bei Nacht gegenüber einer Reise am Tag“, aus dem Polnischen von Marlis Lami.

Olga Tokarzuk– Schriftstellerin und Essayistin – wurde 1962 in Sulechów bei Zielona Góra/Grünberg geboren. 1985 beendete sie in Warschau ihr Psychologiestudium. Anschließend zog sie nach Wrocław/Breslau um, später nach Wałbrzych/Waldenburg, wo sie als Psychologin arbeitete. Seit 1988 lebt sie in einem kleinem Sudetendorf und leitet ihren eigenen Verlag „Ruta”.

Sie ist Laureatin bedeutender Literaturpreise u.a. des „Nike-Preises” (1997 und 1999) sowie des Kościelski-Preises (1997). 2002 wurde sie mit dem Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen und 2003 mit dem Literatur- und Übersetzerpreis „Brücke Berlin” der BHF-Bank Stiftung ausgezeichnet.

Die Veranstaltung wurde durchgeführt in Verbindung mit der Gesellschaft für Natur und Kunst Schloss Freudenberg e.V. und mit freundlicher Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst.

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